Palliativpflege
Was bedeutet « palliativ »?
Pallium
Der Ursprung des Wortes liegt im Lateinischen « Pallium » und bedeutet Mantel. Palliativmedizin, Palliativpflege umhüllt und schützt den Patienten.
Definition nach der belgischen Gesetzgebung:
"Unter Palliativpflege ist die Gesamtheit der Pflege, die dem Patienten der von einer Krankheit betroffen ist, von der man ausgeht, dass sie zum Tode führt, wenn sie nicht mehr auf kurative Therapien reagiert, zu verstehen. Die Gesamtheit der multidisziplinären Pflege erweist sich von größter Bedeutung um die Begleitung des Patienten, am Lebensende wahrnehmen zu können, und dies auf physischer, psychischer, sozialer und moralischer Ebene.
Das erste Ziel der Palliativpflege besteht darin, dem Kranken und seinen Nächsten die bestmögliche Lebensqualität und eine maximale Autonomie zu bieten. Die Palliativpflege versucht die Lebensqualität zu verbessern und zu garantieren für den Patienten und seine Familie in der Zeit, die ihm zum Leben bleibt.“ (Kgl. Erlass im Staatsblatt erschienen am 26.10.2002)
Komplementierend verknüpft die Palliativpflege in Belgien unter anderem auch die Definitionen der WHO (Weltgesundheitsorganisation), der LIKIV (Landesinstitut für Kranken-und Invalidenversicherung) und der EAPC (European Association for Palliative Care) mit in ihren Reflexionen.
Cicely Saunders
„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben,
sondern den Tagen mehr Leben.“
Philosophie
Palliativpflege ist eine umfassende und aktive Pflege durch ein multidisziplinäres Team. Ziel ist es, dem Patienten und den Angehörigen die bestmögliche Lebensqualität zu gewähren unter Berücksichtigung seiner physischen, psychologischen, sozialen und spirituellen Bedürfnisse.
Umfassende Pflege, d.h. Pflege, die den Menschen in seiner Ganzheit respektiert, unter Berücksichtigung seiner Biographie, seines sozialen und kulturellen Umfeldes. Aktive Pflege, d.h. Pflege, die bemüht ist, die bestmöglichen Lösungen zu suchen, die bestmöglichen Hilfestellungen anzubieten mit dem Ziel, ein beschwerde- und schmerzfreies Dasein zu schaffen, und zwar dort, wo der Kranke es wünscht. Die Linderung von Schmerz und Leid ist das Grundanliegen der Palliativphilosophie schlechthin.
Die Palliativphilosophie beruht auf drei Säulen:
1. Die ganzheitliche Betrachtung des Menschen:
- Die physische Komponente: Vorbeugung, Linderung und Befreiung von Schmerzen, von körperlichen Symptomen wie Atemnot, Übelkeit, Erbrechen, Verstopfung, Druckgeschwüre…
- Die psychische Komponente beinhaltet das Wahrnehmen und Respektieren der Gefühle und der Bedürfnisse des Kranken, durch Zuhören, Dasein mit Einfühlungsvermögen und Offenheit gegenüber der momentanen, individuellen emotionalen Situation.
- Die soziale Komponente: Die sozialen Beziehungen des Kranken werden respektiert und mit einbezogen. Den Angehörigen wird Unterstützung und Begleitung angeboten.
- Die spirituelle Komponente: Den spirituellen Fragen des Kranken wird Raum gegeben, einen Platz gelassen. Offenheit und Zeit für Fragen nach dem Sinn des Lebens, Sinn des Sterbens, ... ohne Wertung und mit Toleranz..
2. Das Sichern der Lebensqualität
... bedeutet das beste Wohlbefinden für diesen Menschen zu diesem Zeitpunkt. Lebensqualität kann jeder Mensch nur für sich selbst bestimmen und ist in Folge dessen immer subjektiv und individuell.
3. Die Selbstbestimmung
... des Kranken respektieren. Es ist sein Leben, seine Krankheit und sein Sterben. (Nicht wir wissen, was für diesen Menschen in dieser Situation gut ist!)
Geschichte der Palliativpflege
Die Hospizbewegung
Die Herberge
Hospiz kommt vom Lateinischen und bedeutet Herberge. Es ist eine Einrichtung der Sterbebegleitung. Hospize haben es sich zur Aufgabe gemacht Sterbende im Sinne der Palliativpflege umfassend zu versorgen.
Die Entstehung der modernen Hospizbewegung
Die Begründerin der modernen Hospiz-Bewegung ist die englische Krankenschwester und Ärztin Cicely Saunders, die 1967 in London das St. Christopher Hospize schuf. Ciceley Saunders, damals noch ausgebildete Krankenpflegerin und Sozialarbeiterin, begegnete 1947 David Tasma, einem jüdischen Flüchtling aus dem Ghetto in Warschau. David war unheilbar an Krebs erkrankt, er war erst vierzig Jahre alt.
Während der letzten zwei Monate seines Lebens besuchte Cicely David sooft sie konnte auf der chirurgischen Station eines Londoner Krankenhauses. Die beide redeten «schließlich über eine Umgebung, in der David nicht nur die Linderung seiner Schmerzen gefunden hätte, sondern auch genug Raum und Zeit, ins Reine zu kommen mit einem offenbar unerfüllten und sinnleeren Leben.»
Die Idee nahm Gestalt an und David vermachte alles Geld, das er noch hatte – fünfhundert Pfund – der Realisierung dieses Traumes. Nach der Gründung 1967 kamen zum stationären Bereich eine Ambulanz, ein Hausbetreuungsdienst sowie ein Team zur Unterstützung der Hinterbliebenenfamilien hinzu.
Und von hier gingen die Impulse zur Verbreitung der Palliativphilosophie in England und in den 70er und 80er Jahren vor allen Dingen auch in die USA und nach Kanada. 1969 beeinflusste eine andere Dame wesentlich die Entwicklung der Palliativbewegung: Elisabeth Kübler-Ross, eine in den USA lebende Schweizerin, Psychiaterin. Sie bewirkte mit ihrem Buch « Interviews mit Sterbenden » einen gewaltigen Anstoß zum Nachdenken über das Sterben der Menschen in Einrichtungen.
Palliativpflege in Belgien
Erst Ende der 80er Jahre entwickelten sich durch das Engagement von kompetenten und durchsetzungsfähigen Menschen verschiedene Initiativen in Belgien, die im Laufe der Zeit zu einem flächendeckenden Projekt heranwuchsen.
In den 80er Jahren:
Engagierte und überzeugte Ärzte und Krankenpfleger entwickeln zu diesem Zeitpunkt das Palliativpflegenetz ohne finanzielle Unterstützung der öffentlichen Behörden.
- 1981: Statuäre Gründung der ASBL « Continuing Care » in Brüssel
- 1985: Gründung des ersten aktiven mobilen Palliativteams durch Chantal Couvreur und den Mitstreiterinnen von Continuing Care. Dieses Team funktionierte unentgeltlich und ausschließlich dank Spenden
- 1988: Gründung der 1. Palliativeinheit im Krankenhaus St.Jean in Brüssel durch Dr. J. De Buysscher (Sœur Léontine) und dem Foyer St. François in Namur – erste Palliativeinheit in einem Altenheim.
- 1989: Gründung der « Fédération Belge des Associations de Soins Palliatifs »
In den 90er Jahren:
Der damalige föderale Gesundheitsminister Philippe Busquin unterstützt und finanziert die Palliativpflege im Krankenhaus und zu Hause.
- 1991: Der königliche Erlass (K.E.)vom 19.08.1991 legt die Massnahmen der LIKIV gegenüber den Pilotprojekten in der Palliativpflege fest.
- 1994: K.E. vom 22.03.1995 und vom 07.04.1995 : Laufbahnunterbrechung für pflegende Angehörige mit finanzieller Entschädigung
- 1997: Gesetzliche Verpflichtung zur Gründung eines anerkannten Palliativpflegeverbandes durch K.E. vom 19.06.1997
- Dezember 1997: Gründung des Palliativpflegeverbandes der Deutschsprachigen Gemeinschaft
- 1998: Jedes Krankenhaus muss über eine Palliativfunktion verfügen. (Anpassung des ministeriellen Erlasses vom 02.08.86)
- 1999: K.E. vom 02.12.2001: Statut „Palliativpatient" (finanzielle Beihilfe zur Heimpflege eines Palliativpatients)
In den Jahren 2000:
Die öffentliche Hand unterstützt und erkennt die Palliativpflege weiterhin an. Verschiedene Maßnahmen werden beschlossen:
- 2001: durch den K.E. vom 12/09/2001 wird Patienten mit Palliativstatut die Selbstbeteiligung für die Krankenpflege erlassen.
- 2002: am 14/06/2002 wird das Gesetz zur Palliativpflege verabschiedet, in dem eine genaue Definition der Palliativpflege vorgelegt wird. Mit diesem Gesetzt wird darüber hinaus jedem Bürger das Recht auf Palliativpflege zugebilligt. Im selben Jahr wird auch das Euthansiegesetz und das Gesetz zu den Patientenrechten verabschiedet. (Patientenrechte), (Palliativpflegegesetz), (Euthanasiegesetz)
- 2006: dem Patienten mit Statut wird die Selbstbeteiligung für die Kinesitherapie erlassen.
- 2010: durch K.E. erhalten auch Selbständige die Möglichkeit Palliativurlaub zu beantragen.
- 2014: Erweiterung des Euthanasiegesetz von 2002 auf Minderjährige.
- 2016: Erweiterung der Definition der Palliativpflege unabhängig von der Lebenserwartung.
- 2018: durch K.E. Kriterien zur Identifizierung eines Palliativpatienten anhand der Indentifikationsskala PICT ( Palliative Care Indicators Tool)
- 2020: Der Arzt, der eine Euthanasie ablehnt, muss innerhalb 7 Tagen den Patienten informieren. Er ist verpflichtet die Kontaktdaten einer auf Euthanasie spezialisierten Einrichtung oder Vereinigung mitzuteilen und auf Verlangen des Patienten innerhalb von 4 Tagen die Krankenakte weiterzuleiten.
- April 2020: Vorgezogene Willenserklärungen betreffend der Euthanasie, die ab dem 02.04.2020 verfasst werden, sind unbegrenzter Gülitgkeitsdauer und benötigen keine Erneuerung alle 5 Jahre.
Wo gibt es Palliativpflege?
Zuhause
Die meisten Patienten wünschen Zuhause zu sterben
Zu ihrer Unterstützung gibt es pluridisziplinäre externe Teams. Diese bestehen aus Arzt, Pfleger(-innen), eventuell Psychologen und ehrenamtlichen Mitarbeitern. Diese Teams intervenieren nur mit der Zustimmung des Hausarztes, der auch der verantwortliche Ansprechpartner bleibt. Die Mitglieder des externen Teams haben eine Zusatzausbildung in Palliativpflege und besuchen den Patienten Zuhause, um die nötige Hilfestellung zur Palliativbetreuung zu geben. Sie sind ebenfalls Referenzpersonen für die Pfleger(-innen), Kinesitherapeuten, Familienhelfer(-innen) und andere Dienste.
Das Team vermittelt Informationen über Schmerzbehandlung, Symptompflege usw. und kann ebenfalls über den Gebrauch von speziellem Pflegematerial, sowie über die Möglichkeit dieses zu leihen oder zu kaufen, informieren. Es bietet dem Patienten, seinem Umfeld und den Pflegenden psychologische und moralische Unterstützung. Die Hausbesuche und Beratungen des externen Teams sind weder zu Lasten des Patienten noch der Familie.
Im Wohn- und Pflegezentrum für Senioren
Viele alte Menschen leben in einem Wohn- und Pflegezentrum für Senioren
Hier erhalten sie die notwendige Pflege und Betreuung. Die meisten hier lebenden Menschen versterben ebenfalls im WPZS. In den WPZS erfahren die Bewohner am Lebensende eine besonders fürsorgliche Betreuung. Palliativpflege bietet ihnen einen Mantel von Wohlbefinden und Wärme.
Die externen Teams, die für die Palliativpflege in der häuslichen Versorgung zuständig sind, übernehmen auf Anfrage ebenfalls die Betreuung von Palliativpatienten im Altenheim. Jedes Alten- und Pflegeheim mit mehr als 60 Betten muss über ein eigenes Palliativpflegeteam verfügen. Laut aktueller Gesetzgebung soll das Heim mit Hilfe seines medizinischen Koordinators sich verpflichten, Palliativmedizin und kontinuierliche Pflege einzuführen und zu verbessern in Zusammenarbeit mit den Palliativpflegeverbänden auf regionaler Ebene. Zum Aufbau und zur Ausbildung von geeigneten Palliativpflegekräften erhalten die Heime einen jährlichen Zuschuss.
Auf der Palliativstation
Den Tagen mehr Leben geben
Eine Palliativstation ist eine Abteilung mit begrenzter Anzahl Betten, in der sich ein Team von Krankenpfleger(-innen), Ärzten, Psychologen usw., alle speziell in Palliativpflege ausgebildet, um den Patienten bemüht. Auf dieser Station werden Patienten aufgenommen, für die am Ende ihres Lebens die Versorgung Zuhause oder in einer anderen Abteilung des Krankenhauses nicht mehr möglich ist.
Manchmal werden auch Patienten für kurze Zeit aufgenommen, um die Behandlung zu verbessern (z.B. Schmerztherapie) oder um die Angehörigen für eine kurze Zeit zu entlasten. In der Palliativstation sind Familie und Freunde des Patienten immer willkommen. Sie können sogar die ganze Zeit bei ihrem Kranken bleiben.
Im Krankenhaus
Mobile Palliativteams
Seit Oktober 1999 ist jedes Krankenhaus verpflichtet über ein mobiles Team in Palliativpflege zu verfügen. Mobile Palliativteams setzen sich zusammen aus Krankenpfleger(-innen), Ärzten, Psychologen, Sozialassistenten, usw., die in den verschiedenen Abteilungen des Krankenhauses intervenieren, wenn ein Bedarf seitens der Patienten und/oder der Angehörigen besteht. Sie arbeiten eng zusammen mit den Pflegeteams der entsprechenden Abteilungen.
Dieser Dienst ermöglicht es den Patienten, in der gleichen Abteilung mit den ihm bekannten Pflegekräften zu bleiben. Das mobile Team hat ebenfalls den Auftrag, die medizinisch-pflegerischen Mitarbeiter für Palliativpflege zu sensibilisieren und entsprechend weiterzubilden.
Palliativpflegeverband Ostbelgien VoG
Bahnhofstraße 37 - 4700 Eupen (Belgien) | Tel: +32 87 56 97 47 | Fax: +32 87 56 97 48 | Email: ppv.ostbelgien@palliativ.be